Chronik des Schützenvereins Kerstlingerode von 1910
Der Verein
Über 100 Jahre Vereinsleben im steten Auf und Ab der Geschichte liegen hinter uns. Doch Idealismus und Treue aller Mitglieder hielten den Verein zusammen. Welch Mühe und Arbeit, einen Verein aus kleinsten Anfängen aufzubauen, ihn zu fördern und einzugliedern in das Gemeindeleben, wie viel freiwilliger Einsatz und welche Opferbereitschaft haben dazu beigetragen, dass wir heute auf eine über 100-jährige Vereinsgeschichte zurückblicken können.
Ein besonderer Dank gebührt den 24 Kerstlingeröder Männern, die sich am 24. April 1910 zusammenfanden, um den heutigen Schützenverein zu gründen. Bei der Gründungsversammlung wurden in den ersten Vorstand berufen die Schützenbrüder Heinrich Schütte als 1. Vorsitzender, Fritz Hartung sen. als Stellvertreter, Fritz Dommes als Schriftführer, Heinrich Schneemann jun. als Kassierer und Hermann Vollmer sowie Heinrich Hoffmeister sen. als Beisitzer. In zielbewusster Gemeinschaftsarbeit aller Schützen entstand die erste Schießanlage im Walde „Sieverscher Grund“.
Durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde die Arbeit des noch zahlenmäßig kleinen Vereins in seinen Anfängen jäh unterbrochen. Nach Beendigung des Krieges trat so mancher junge Mann dem Verein als Mitglied bei und man konnte das Begonnene unverzagt fortsetzen. Ein besonderer Festtag war für alle Schützenbrüder der 11. Juni 1922, als das gekaufte Banner der Öffentlichkeit vorgestellt und durch Pastor Harries geweiht wurde. Da die alte Schießanlage den Anforderungen nicht mehr entsprach, wurde auf dem Helleberg eine neue Anlage mit einem Schützenhaus errichtet. Nach der Fertigstellung im Jahr 1930 feierte man noch im gleichen Jahr das 20-jährige Stiftungsfest unter großer Beteiligung von Schützenbrüdern aus Stadt und Land. Noch einige Jahre konnte der Schießsport auf der neuen Anlage durchgeführt werden. Doch dann ließ ein neuer weltweiter Konflikt das Vereinsleben erstarren und zugleich wurde durch den Tod vieler Schützenbrüder die Mitgliederzahl erheblich reduziert.
Am 9. März 1952 versammelten sich 10 Schützenbrüder, um dem Verein trotz aller Wirren der Nachkriegszeit ein neues Leben zu geben. Die Versammlung beschloss, den 1937 gewählten 1. Vorsitzenden Hermann Hardegen wieder in sein Amt zu berufen, welches er mit Umsicht und Geschick weiterführte. Großes Kopfzerbrechen bereitete dem Verein der Bau eines neuen Schützenhauses und einer Schießanlage. Da nur wenig Eigenkapital zur Verfügung stand, konnte man nur an alle Mitglieder appellieren.
Durch finanzielle Unterstützung und tatkräftigen Arbeitseinsatz wurde das Ziel dann doch erreicht und ein jeder war stolz auf die wieder errichtete Anlage. Der edle Schießsport konnte somit nach langer Zeit auch in Kerstlingerode wieder ausgeübt werden und aufgrund der erbrachten Leistungen wuchs die Mitgliederzahl ständig an.
Eine neue, junge Generation hatte sich dem Verein angeschlossen, aus deren Reihen neue Ideen und Impulse kamen, die den Verein aufwärts streben ließen. Mit dem Wiederbeginn der Schießwettkämpfe des Bundes „Rund um die Gleichen“ begann auch ein neuer Abschnitt in der Vereinsgeschichte. Durch das jährliche Zusammentreffen zum Preis- und Pokalschießen entstand eine enge Kameradschaft und ein reger Erfahrungsaustausch zu vielen anderen Vereinen.
Durch den Neubau der Turnhalle an der Gartetalschule musste auch dieses mit viel Schweiß aufgebaute Schützenhaus nebst Anlage weichen. Der Verein wurde zwar durch eine neue Anlage „Am Mühlenberg“ entschädigt, doch gab es auch hier für alle Mitglieder viel Arbeit, bis der erste Schuss fallen konnte.
Die 1966 aufgestellte Damenriege brachte neuen Aufschwung, wodurch sich auch das Damenschießen im „Schützenbund Rund um die Gleichen“ weiter ausbreitete.
Im Jahr 1970 konnte unser Verein unter reger Beteiligung vieler anderer Vereine sein 60-jähriges Bestehen feiern. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden im Schießstand noch Zuganlagen mit Handkurbeln benutzt. Nachdem 1973 der Stromanschluss an das Schützenhaus gelegt worden war, wurden provisorische Zuganlagen aus Waschmaschinenmotoren zusammengebaut.
Am 24.4.1974 wurde die Jugendgruppe unseres Vereins gegründet. Die Kette für die Jugendkönige spendeten die Einwohner von Kerstlingerode. Erste Jugendkönigin wurde Martina Blödow. Mit Gründung der Jugendgruppe wuchs die Zahl unserer Mitglieder auf über 100.
1975 wurde das 65-jährige Jubiläum im Gasthaus Apenberg gefeiert. Zu dieser Zeit gehörten bereits 24 Damen unserem Verein an. 1976 kündigte sich ein Wechsel im Vorstand an. Nach 11-jähriger Tätigkeit bei vorbildlicher Vereinsführung war unser 1. Vorsitzender Günter Rehm nicht mehr zu bewegen, sein Amt weiter auszuüben. Neuer 1. Vorsitzender wurde Helmut Vollmer, dessen Ziel die Erweiterung des Schützenhauses um einen Thekenraum sowie der Anbau von Toiletten war. Unsere Damen feierten in diesem Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. 16 Damen wurden als Gründungsmitglieder ausgezeichnet. Die Damen kauften sich neue Westen und alle Mitglieder bekamen Wappen für die Uniform.
1978 wurde der Schützenhaus-Anbau mit Theke durchgeführt. Dieser Anbau wurde mit vielen Arbeitseinsätzen und unter eifriger Mithilfe unserer Mitglieder fertig gestellt.
1979 wurde mit dem Anbau der Toiletten an das Schützenhaus begonnen. Durch die gute Zusammenarbeit in unserem Verein konnten die Bauarbeiten 1980 abgeschlossen werden.
Helmut Vollmer lehnte nach 4-jähriger Tätigkeit die weitere Ausübung seines Amtes als 1. Vorsitzender ab. Sein Nachfolger wurde Ernst Herrmann. Unter seinem Vorsitz wurde mit dem Bau der neuen Schießanlage begonnen, die im Mai 1981 eingeweiht werden konnte. Den ersten Schuss gab unser Ehrenmitglied Albert Eggert sen. ab. Die Anschaffung von vier neuen automatischen Zuganlagen wurde zum Teil durch Spenden und zinslose Darlehen unserer Mitglieder finanziert.
1982 fand die erste Ausfahrt des Schützenvereins statt. Sie führte mit dem Bus nach Hamburg. Da diese Fahrt gut gelang, wurde beschlossen, auch weiterhin jedes Jahr eine Ausfahrt zu planen. Ebenfalls 1982 übernahm Karl-Heinz Schmidt den Posten des ersten Vorsitzenden. Unter seiner Führung gingen die Instandsetzungs- und Erneuerungsarbeiten am Schützenhaus und an den Außenanlagen weiter, so dass die unter alten Eichenbäumen am Mühlenberg gelegene Anlage bald von allen örtlichen Vereinen bei besonderen Anlässen , Feierlichkeiten und Grillabenden benutzt wurde.
Im Jahr 1985 wurde am Pfingstwochenende das 75-jährige Vereinsjubiläum gefeiert. Bei wunderschönem Frühlingswetter war das Festzelt auf dem Sportplatz an allen drei Tagen sehr gut besucht. Auch an den Schießwettkämpfen war die Beteiligung überragend. Es nahmen insgesamt 23 Vereine mit über 80 Mannschaften teil.
Mit den hohen Einnahmen vom Jubiläumsfest konnte in den kommenden Jahren viel am Schützenhaus verwirklicht werden. U. a. wurde ein Teil der Dächer erneuert. Im Gastraum, den Toiletten und dem Abstellraum wurde ein Fliesenfußboden verlegt. Weiterhin wurden die ersten 10 Meter der Schießbahn überdacht und die Terrasse wurde erweitert und durch einen gemauerten Grill ergänzt.
Die Zeichen der Zeit hinterließen auch im Schützenverein ihre Spuren. Bereits 1990 spielte auf dem jährlichen Schützenfest das erste Mal eine Kapelle aus Leinefelde, der ehemaligen DDR. 1991 und 1992 wurden der Zaun der Schießbahn sowie die Zufahrt zum Schützenhaus aus ehemaligen Grenzbefestigungsmaterialien erneuert. Die Beziehungen zu den neuen östlichen Bundesländern wurden von Anfang an gut gepflegt.
Nach mehreren Jahrzehnten der Schützenbälle und Schützenfeste in den Gastwirtschaften des Ortes fand 1995 der erste Schützenball im neuen Feuerwehrhaus von Kerstlingerode statt. Auch das Schützenfest wurde ab 1996 nicht mehr auf dem Saal der Gaststätte Apenberg, sondern im Schützenhaus gefeiert. Hierfür wurde das Schützenhaus 1997 noch einmal um ein Vordach erweitert, dass zu den Schützenfesten dann mit einer wetterdichten Plane behängt werden konnte und somit allen Gästen genügend Platz bot.
Nach 20 Jahren als Vereinsvorsitzender legte Karl-Heinz Schmidt sein Amt 2002 nieder. Sein stetiges Wirken und seine Liebe zum Verein haben das Vereinsleben über viele Jahre gravierend geprägt. Neuer 1. Vorsitzender wurde Jürgen Heinemann. Seine Aufgabe war es, in den kommenden Jahren die immer strenger werdenden Auflagen für Schützenvereine auch in Kerstlingerode umzusetzen.
2004 beschloss der Vorstand die Eintragung in das Vereinsregister des Amtsgerichts. Seitdem lautet der vollständige Name des Vereins „Schützenverein Kerstlingerode von 1910 e. V.“
2006 leitete Manuel Benseler als 1. Vorsitzender die Geschicke des Vereins. Mit einem relativ jungen Vereinsvorstand waren die Anfänge nicht immer einfach. Aber „Aus Fehlern wird man klug und erst Erfahrung bringt Routine“.
2010 wurde ausgiebig das 100-jährige Festjubiläum im großen Festzelt auf dem Sportplatz gefeiert. 100 Jahre hat der Verein Höhen und Tiefen bewältigt, musste mehrfach einen Neuanfang meistern und hat doch durch das Engagement und die Hilfe aller Mitglieder bestehen können. Die Weichen für die Zukunft sind gestellt und der Schützenverein wird auch weiterhin den Schießsport fördern und die Geselligkeit im Verein und in Kerstlingerode maßgeblich unterstützen.
Nach dem großen 100-jährigen Jubiläum wurde das Schützenhaus umfangreich saniert. Unter anderem wurden die hintere Dachfläche, das Dach über den Toiletten und das 50m-Scheibenhaus erneuert sowie das gesamte Grundstück von Schutt, Unrat und Wildwuchs befreit. Es gab einen 5-Jahres-Plan, den wir aber in 3 Jahren abgearbeitet haben. Eine große Herausforderung war die Entsorgung von Teilen der Dacheindeckung, die aus Asbestfaser-Zementplatten bestand.
2015 wurde Alexander Schmidt zum 1. Vorsitzenden gewählt. 2016 feierte unsere Damenabteilung ihr 50-jähriges Bestehen mit einer Schießwoche und einer Jubiläumsfeier am 2. Oktober 2016. Sehenswert war das große Kuchenbuffet!
Im gleichen Jahr trat der Schützenverein nach langwierigem Procedere in den Kreisschützenverband Göttingen ein. Somit war die Zukunft des Vereins aus schießsporttechnischer Sicht gesichert. Im gleichen Zuge waren wir nun Mitglied im Niedersächsischen Sportschützenverband und im Deutschen Schützenbund.
2020 musste das Vereinsleben coronabedingt eine Zwangspause einlegen. Nach zwei Jahren Ruhe wurde im Sommer 2022 Volker Heinemann als 1. Vorsitzender gewählt. Mit einem teilweise neuen Vorstand gab es in diesem Jahr zwar noch keine Neuauflage des Königsschießen, doch viele kleinere Veranstaltungen trugen zum Amüsement des Dorflebens bei.